Selektives laserinduziertes Ätzen von Glas und Saphir

Themenbroschüre Selektives laserinduziertes Ätzen von Glas und Saphir
Themenbroschüre Selektives laserinduziertes Ätzen von Glas und Saphir

Mit dem zweistufigen Laserfertigungsverfahren »Selektives laserinduziertes Ätzen« (Selective Laser-induced Etching SLE) stellt das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT ein Herstellungsverfahren für Mikrokanäle, Formbohrungen und -schnitte und 3D-Geometrien in transparenten Bauteilen aus Quarzglas, Borosilikatglas und Saphir zur Verfügung. Mikrometerfeine Strukturen und ganze Bauteile lassen sich so direkt aus 3D-CAD-Konstruktionen mit einer CAD-CAM-Prozesskette herstellen.

Das Verfahren

SLE ist ein zweistufiger Herstellungsprozess für komplexe 3D-Bauteile aus Glas oder Saphir. Dabei wird in einem ersten Schritt ultrakurzgepulste Laserstrahlung in das Volumen des transparenten Werkstücks fokussiert. Die Pulsenergie wird dabei nur im Fokusvolumen durch einen Mehrphotonenprozess absorbiert. Dort wird das transparente Material rissfrei modifiziert, wodurch sich die chemischen Eigenschaften verändern. Dies erlaubt ein späteres selektives chemisches Ätzen des Materials. Durch die Auslenkung des Fokus im Werkstück mit einem Mikroscannersystem werden zusammenhängende Bereiche modifiziert. Diese lassen sich in einem zweiten Prozessschritt durch nasschemisches Ätzen entfernen wodurch die Herstellung von Mikrokanälen, Formbohrungen, strukturierten Bauteilen sowie komplexen, zusammengesetzten mechanischen Systemen ermöglicht wird.

Das selektive laserinduzierte Ätzen ist am Fraunhofer ILT in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Lasertechnik LLT der RWTH Aachen University erstmals in für die Industrie relevanten Prozessgeschwindigkeiten demonstriert worden. 

Vorteile des SLE-Verfahrens

  • Große Energieeffizienz (Umschmelzen statt Verdampfen)
  • Große Materialeffizienz (Schnittfugen von wenigen Mikrometern)
  • Hohe Präzision in drei Dimensionen (Fokus < 5 µm, keine Ablagerungen)
  • Skalierbarkeit zu großer Produktivität z. B. durch hohe Scangeschwindigkeiten

Wirtschaftlichkeit für Klein- und Großserien

Durch das Skalierungspotenzial auf Prozesszeiten im Bereich von Sekunden wird die direkte industrielle Umsetzung möglich. Somit sind kostengünstige Bauteile aus Gläsern und Saphir herstellbar, die sich gegenüber heutigen Kunststoffbauteilen durch große Beständigkeit auszeichnen und einfach gereinigt und sterilisiert werden können. Langfristig weist das SLE-Verfahren ein enormes Potenzial für eine individualisierte Massenproduktion auf, da keine teuren Masken oder Abformwerkzeuge erforderlich sind und somit keine bauteilspezifischen Fixkosten anfallen. Ein Bauteil kann innerhalb von Sekunden direkt aus der Software (CAD-CAM-Kette) generiert werden.

Das SLE-Verfahren ermöglicht so die Herstellung von Prototypen, Klein- und Großserien mit übertragbaren Verfahrensparametern sowie die Fertigung kundenspezifischer mechanischer Mikrosysteme mit völlig neuen Funktionsmerkmalen bei gleichzeitiger Kosten- und Zeitersparnis. Zudem bietet SLE den Vorteil der nahezu uneingeschränkten Geometriefreiheit unter Berücksichtigung der serienidentischen Gebrauchseigenschaften bei transparenten Bauteilen. Mit SLE lassen sich Geometrien erzeugen, die mit keinem anderen Verfahren realisierbar sind.

Formschneiden und Formbohren

In den Einsatzbereichen Feinmechanik und Medizintechnik werden mit dem SLE-Verfahren Bauteile aus Saphir und Glas ausgeschnitten. Hierbei sind z. B. Schnittbreiten von < 5 μm bei einer Materialstärke von 1 mm möglich. Durch den Einsatz eines Mikroscanners und eines präzisen Achssystems werden beliebige Formen mit einer Genauigkeit von 1 μm geschnitten. Die daraus resultierenden Formbohrungen und geschnittenen Bauteile weisen eine Oberflächenrauheit der Schnittkanten von Rz < 1 μm auf. In Dünnglas (< 200 μm, alkalifreies Borosilikatglas und Quarzglas) wurden Konturbohrungen < 50 μm und verrundete Kanten mit Radien < 30 µm gefertigt.

Mikrokanäle im Inneren von Glas und Saphir

Mikrofluidische Systeme können mit dem SLE-Verfahren in thermisch und chemisch beständigen Materialien wie Quarzglas, Borosilikatglas oder Saphir z. B. für Anwendungsbereiche wie die medizinische Diagnostik hergestellt werden. In Quarzglas wird das durch Laserstrahlung modifizierte Volumen um den Faktor 1000 schneller geätzt als das unmodifizierte Glas. Diese Selektivität gibt die möglichen Aspektverhältnisse für die Mikrostrukturen vor. So sind minimale Kanaldurchmesser von 10 μm bei einer Länge von einigen Millimetern realisierbar. Durch das Scannen bzw. die Bewegung der Laserstrahlung im Volumen lassen sich Kanäle, Verzweiger und beliebige Hohlstrukturen herstellen.

Mikrostrukturierte 3D-Bauteile

In Quarzglas können aktuell beliebige Formen von Bauteilen bis zu einer Substratstärke von 14 mm hergestellt werden. Das SLE-Verfahren eignet sich auch zur Erzeugung mikrostrukturierter Bauteile aus Glas oder Saphir für Feinmechaniken wie sie im Uhrenbau, in der Mikrooptik oder der Medizintechnik zum Einsatz kommen. Ebenso lässt sich das Verfahren zur Herstellung von Mikroresonatoren und Faserkopplern nutzen. Das SLE-Verfahren ist als hochpräzise Fertigungstechnologie für photonisch-integrierte Chips und Anwendungen im Bereich der Quantentechnologien geeignet.

Ausblick

Am Fraunhofer ILT wird das SLE-Verfahren kontinuierlich weiterentwickelt und für kundenspezifische Anwendungen optimiert. Schwerpunkte sind dabei die Prozessentwicklung zur Erweiterung der bearbeitbaren Werkstoffpalette sowie die Skalierung zu größeren Prozessgeschwindigkeiten durch den Einsatz einer Multistrahltechnologie und neuer Femtosekunden-Laserstrahlquellen mit mittleren Leistungen bis 1 kW.