Modellierung und Simulation der Glasbearbeitung mit Laserstrahlung

Themenbroschüre Modellierung und Simulation der Glasbearbeitung mit Laserstrahlung
Themenbroschüre Modellierung und Simulation der Glasbearbeitung mit Laserstrahlung

Die Bearbeitung transparenter dielektrischer Werkstoffe wie beispielsweise Glas mit ultrakurzgepulster Laserstrahlung weist insbesondere durch die große Nachfrage nach Smartphones und anderen Geräten mit Flat-Panel-Display ein großes Marktpotenzial auf. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung liegt jedoch kein ausreichendes Verständnis der Abtragmechanismen, der Strahlungspropagation im Materialvolumen sowie möglicher Materialschädigung beim Einsatz des Lasers vor. Durch Modellierung und Simulation wird das Prozessverständnis erweitert, Maßnahmen zur Verbesserung identifiziert und somit die Bearbeitungsgeschwindigkeit und -qualität verbessert.

Transparente Werkstoffe wie Glas lassen sich besonders gut mit dem Laserstrahl bearbeiten, da dieser sowohl die Bearbeitung an der Oberfläche als auch im Volumen erlaubt. Fehlendes Verständnis der Wechselwirkung von hochenergetischer Laserstrahlung mit dem Werkstoff Glas limitiert jedoch derzeit den industriellen Einsatz und die technische Weiterentwicklung der Glas-Bearbeitung mit UKP-Lasern. Das Fraunhofer ILT führt kontinuierlich eine mathematischphysikalische Modellierung durch und hat darauf aufbauend einen Simulationscode entwickelt. Dieser berechnet unter anderem die Wirkung der nichtlinearen Mechanismen der Absorption und Strahlungspropagation in Dielektrika sowie deren Kopplung. Hieraus werden sowohl die Abtraggeometrie, die sich durch die Laserbearbeitung ergibt, als auch beabsichtigte (Filamente und Modifikationen) sowie unbeabsichtigte (Risse und Abplatzungen) Veränderungen des Materials extrahiert. Dieses Simulationswerkzeug wird bereits für die Erweiterung des Prozessverständnisses als auch für die Vorhersage bzw. Optimierung der Glasbearbeitung angewendet.

Maßnahmen für eine solche Optimierung sind zum Beispiel:

  • Vergrößerung des Absorptionsgrades durch Pulsformung oder Wellenlängenmischung Formung der Abtraggeometrie und -vertiefung (wie z. B. Vergrößerung der Rechtwinkligkeit von Schnittkanten)
  •  Vermeidung bzw. Verringerung von Schädigungsmustern in der Nähe der Materialoberfläche wie auch im Glasvolumen durch Anpassung der räumlichen Strahlverteilung Design von Modifikationsstrukturen im Volumen
  • Formung von optischen Filamenten mit Hilfe von Strahl- und Pulsformung

Absorption und Strahlungspropagation

Die Absorption von Laserstrahlung erfolgt bei Dielektrika über nichtlineare Mechanismen (Multi-Photonen-Ionisation, Kaskaden-Ionisation, [Vielkörper-] Rekombination), da die Bandlücke im Vergleich zur Energie eines einzelnen Photons groß ist. Folglich müssen bei Dielektrika durch diese nichtlinearen Mechanismen erst freie Elektronen zur Vergrößerung der Absorption erzeugt werden, während sie bei der Bearbeitung metallischer Werkstoffe bereits vorhanden sind. Somit erhöht sich die Komplexität der Beschreibung bei dielektrischen Werkstoffen im Vergleich zu Metallen, da hier die intensive Strahlung die optischen Eigenschaften wesentlich beeinflusst. Ziel der Modellierung ist es, die Strahlungspropagation und die Energiedeposition sowie die Modifikation bzw. den Abtrag dielektrischer Werkstoffe für die Bearbeitung mit ultrakurzen, hochintensiven Laserpulsen räumlich aufgelöst zu beschreiben. Dazu wird sowohl die Dynamik der Elektronen im Glas berechnet als auch deren Rückwirkung auf die propagierende Strahlung, welche durch die sich ausbildende lokale Absorption und Brechkraft im Glas entsteht. Als Ergebnis werden die Modifikation, die Schädigung und der Abtrag auf Basis der Dichte der freien Elektronen im Material berechnet.

Laserschweißen von Glas

Beim Schweißen von Glas mittels UKP-Strahlung spielt die genaue Kenntnis der effektiven Wärmequelle eine essenzielle Rolle zur Vorhersage des sich im Werkstück ausbildenden Temperaturfeldes. Dank der großen Präzision der am Fraunhofer ILT entwickelten Modelle für die Laserabsorption im Glas ist diese Wärmequelle sehr genau berechenbar. Hierdurch wird eine zielgerichtete Weiterentwicklung der thermodynamischen (Schmelzen) und thermomechanischen (Modifikation, Spannung, Rissbildung) Glasbearbeitung ermöglicht.

Laserabtrag von Glas

Zur Darstellung des Abtragens von Glas durch Laserstrahlung ist die Vorhersage von Abtraggeometrie und Schädigungen an der Glasoberfläche wie auch im Glasvolumen notwendig. Das am Fraunhofer ILT entwickelte Modell bildet die Beschreibung der Teilprozesse der nichtlinearen Absorption und Strahlungspropagation präzise ab. Verglichen mit realen Schnitten zeigt die Simulation eine sehr gute Übereinstimmung der Vorhersage mit den experimentell ermittelten Querschliffen. Zu erwartende Schädigungen sind für die Beurteilung und angestrebte Vergrößerung der Bruchfestigkeit des finalen Bauteils von besonderem Interesse. Ihre Entstehung kann so verlässlich vorhergesagt und analysiert werden.

Erzeugung optischer Filamente

Die Erzeugung maßgeschneiderter Modifikationen (Filament, Modifikation, Schmelzzone) bedeuten für die Laserglasbearbeitung ein großes Potenzial hinsichtlich effizienter und qualitativ hochwertiger Schneidverfahren. Filamente sind Bereiche innerhalb des Glasvolumens, in denen die Strahlung durch nichtlineare Phänomene stark fokussiert wird. So entsteht eine lokal sehr begrenzte Modifikation im Material. Lokale Schädigungen werden z. B. zum Trennen von Glas eingesetzt, während eine Modifikation auch dazu genutzt wird, eine Brechungsindexänderung und damit z. B. eine wellenleitende Eigenschaft im Glas zu erzeugen. Am Fraunhofer ILT wurde ein Simulationswerkzeug entwickelt, welches die Ausbildung der Filamente in Abhängigkeit der Prozess-und Materialparameter vorhersagt. Die Eigenschaften der Filamente (z. B. Stabilität bzw. Länge) lassen sich mit Hilfe des Simulationswerkzeugs an die Anforderungen des Kunden anpassen.

Weitere Entwicklungen

Die Simulation ist für alle Materialien mit großer Bandlücke, verglichen mit der Energie der Photonen, anwendbar. Darunter fallen z. B. Gläser, wässrige Lösungen oder biologische Gewebe. Auch für andere dielektrische Werkstoffe und sogar halbleitende Materialien, wie sie in der Solar- bzw. Elektronikindustrie eingesetzt werden, ist die entwickelte Methodik anwendbar.