Die Automobilindustrie ist mitten in einem tiefgreifenden Umbruch. Kostendruck und der Übergang zur Elektromobilität zwingen viele Hersteller dazu, ihre Fahrzeugarchitektur und Produktionsprozesse grundlegend zu überdenken. Viele Hersteller reduzieren derzeit die Zahl einzelner Pressteile und streben nach möglichst wenigen, aber hochkomplexen Strukturbauteilen. Gerade bei großen Aluminiumbauteilen, etwa Rahmen- oder Getriebekomponenten, steigen damit auch die Anforderungen an die Werkzeuge: Sie müssen thermisch hochbelastbar sein, Varianten erlauben und sich möglichst schnell an neue Geometrien anpassen lassen.
Dieser Wandel bringt neue Herausforderungen mit sich: Die dafür benötigten Gussformen müssen nicht nur größer sein als bisher, sondern auch widerstandsfähiger bei gleichzeitig komplexer Geometrie und kürzeren Entwicklungszeiten. Genau hier setzt ein Projekt am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT gemeinsam mit dem L-40 Pulverhersteller MacLean-Fogg und Toyota als Endanwender an.
Durch den Einsatz einer am Fraunhofer ILT entwickelten gantry-basierten PBF-LB/M Maschine mit skalierbarem Bauvolumen und dem von MacLean-Fogg für die additive Fertigung entwickelten Werkzeugstahl konnten erstmals sehr große Druckgussformen mit konturnaher Kühlung additiv gefertigt werden – geeignet für großvolumige Hochdruckguss (HPDC) Komponenten.
Massive Geometrien führten im PBF-LB/M bislang zu Eigenspannungen und kritischen Defekten
Mit der zunehmenden Etablierung von Großguss-Verfahren steigen auch die Anforderungen an die Werkzeuge, die beim HPDC zum Einsatz kommen. Die Formen müssen eine präzise, reproduzierbare Bauteilqualität bei sehr hohen Stückzahlen ermöglichen und dabei extremen mechanischen und thermischen Belastungen standhalten. Um eine ausreichende Lebensdauer der Werkzeuginlays sicherzustellen, sind komplexe, innenliegende Kühlstrukturen unabdingbar, die mit konventionellen Fertigungsverfahren nicht umsetzbar sind.
Zwei zentrale Probleme haben bisher die additive Fertigung solcher großformatigen Druckgussformen limitiert: Zum einen ist das verfügbare Bauvolumen klassischer PBF-LB/M Maschinen zu klein, um Formeinsätze im Bereich von 600 x 600 mm² oder mehr in einem Stück herzustellen. Zum anderen sind die bisher eingesetzten Werkzeugstähle – insbesondere H11 (1.2343), H13 (1.2344) oder M300 – in dieser Größenordnung (>20.000 cm³) nicht prozesssicher zu verarbeiten. Selbst bei optimalen Parametern drohen Rissbildung, thermischer Verzug und unzureichende mechanische Eigenschaften.
Das gilt sowohl während des laserbasierten Aufbaus als auch in der nachgelagerten Wärmebehandlung. Das Risiko ist umso größer, je stärker die Temperaturgradienten innerhalb des Bauteils während des Fertigungsprozesses ausfallen – ein Effekt, der bei großvolumigen Werkstücken besonders ausgeprägt ist.
»Um diese Limitation zu überwinden, braucht es eine neue Generation von Maschinen und Werkstoffen, die speziell auf die Anforderungen großformatiger HPDC-Werkzeuge zugeschnitten sind«, erklärt Niklas Prätzsch, Gruppenleiter LPBF-Prozesstechnik am Fraunhofer ILT. »Genau diese Kombination war Gegenstand der nun realisierten Entwicklungen.«
Die neue Material- und Maschinentechnologie erlaubt es erstmals, auch großvolumige Werkzeuge mit freigeformter Kühlstruktur zu fertigen. Dadurch lassen sich nicht nur lokale Temperaturspitzen im Gussprozess gezielt absenken, auch die Variantenvielfalt bei gleichzeitig hoher Lebensdauer steigt. So lassen sich auf einer Werkzeugplattform unterschiedliche Bauteile fertigen, ohne jedes Mal neue Werkzeuge herstellen zu müssen.
Skalierbare LPBF-Fertigung für rissfreie Großbauteile
Hierzu wurde die am Fraunhofer ILT entwickelte Gantry-basierte 5-Laser PBF-LB/M Maschine mit einem derzeitigen Bauvolumen von 1.000 x 800 x 350 mm³ weiterentwickelt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen verfügt sie über einen verfahrbaren Bearbeitungskopf und lokaler Schutzgasführung, sodass das Bauvolumen bei gleichen Prozessrandbedingungen (Schutzgas-Strömungsgeschwindigkeit, Laserstrahl-Auslenkwinkel, etc.) entlang der Maschinenachsen linear skalierbar ist. Damit lassen sich perspektivisch auch noch größere Werkzeuge additiv herstellen als das in diesem Projekt betrachtete Werkzeuginlay mit einem Volumen von über 20.000 cm³ und einer Bounding Box von 515 x 485 x 206 mm³.
Um die bei großvolumigen Werkzeugen kritischen Temperaturgradienten zu minimieren, wurde zusätzlich ein beheizbares Substratmodul entwickelt. Die Bauplattform erreicht nun eine Temperatur von 200 °C, wodurch jede neue Schicht nicht auf Raumtemperatur, sondern nur auf ein vordefiniertes thermisches Plateau abkühlt. Dieser Ansatz reduziert thermisch-induzierte Spannungen und die Gefahr von Rissbildung während des Bauprozesses. Die Kombination aus großem Bauraum, hoher Prozessstabilität und aktiver Vorheizung macht diese Anlage weltweit zu einem der ersten LPBF-Systeme, das für die wirtschaftliche Fertigung von einsatznahen Druckgussformen auch für Mega oder Giga Casting geeignet ist.
»Der Schlüssel zum Erfolg liegt im L-40 Werkstoff von MacLean-Fogg, der auf die Anforderungen von PBF-LB/M zugeschnitten ist«, kommentiert Prätzsch. Dieser Stahl zeichnet sich durch eine im Vergleich zu konventionellen Werkzeugstählen deutlich reduzierte Rissneigung aus – sowohl während der Fertigung als auch in der Wärmebehandlung. L-40 erreicht bereits im as-built-Zustand eine hohe Maßhaltigkeit, herausragende Eigenschaften bei Härte (48 HRC), Zugfestigkeit (1420 MPa) und Kerbschlagzähigkeit (>60 J). In umfassenden Untersuchungen wurden sowohl der Parametertransfer auf das neue Maschinenkonzept als auch die Performance in komplexen Geometrien erfolgreich validiert – etwa bei runden oder überhängenden Kühlkanälen.
In Summe ermöglicht die Kombination aus skalierbarer PBF-LB/M Maschine und eigens entwickeltem Werkstoff erstmals die wirtschaftliche, reproduzierbare Fertigung großformatiger Druckgussformen mit konturnaher Kühlung. Erste Anwendungen zeigen, dass sich die Lebensdauer derart gefertigter Werkzeuge im Vergleich zu konventionellen Formen deutlich verlängern lässt.